Filmreihe

13. September–24. Oktober

ORGIEN und andere Feste

Zur Eröffnung der neuen Filmreihe im Filmpodium Biel/Bienne wollen wir Kino und Essen mit euch gemeinsam an einem Tisch zelebrieren: mit AN - VON KIRSCHBLÜTEN UND ROTEN BOHNEN der japanischen Regisseurin Naomi Kawase und einem Bankett by Gärbi. Ums Zelebrieren dreht sich dann auch das Programm in den kommenden Wochen:

Wieso versammeln sich Jahr für Jahr auf einem 2360 Meter hohen Strassenpass in den französischen Alpen zahlreiche Camper, um tagelang in Erwartung der Tour de France auszuharren? Ist es ihre Begeisterung für das bedeutendste Strassenradrennen der Welt? Oder ist es die pure Lust, mit anderen Fans feierlich zu kampieren - ein Vergnügen am Zelebrieren, das Bedürfnis nach einem Ritual der Zugehörigkeit? Unser Leben ist geprägt von Zeremonien, die Gemeinschaftsgefühle festigen, Identität vermitteln, Vertrauen stiften, Halt geben, aber auch ausgrenzen und manipulieren können. Wir begegnen ihnen in allen Lebenslagen: am Familientisch, im Konzertsaal, auf der Tanzfläche, in der Mode, beim Kochen oder beim Sport.

Eingefleischte Radsport-Fans feiern auf dem Col d'Izoard ihr Highlight des Jahres (LA GRAND-MESSE von Méryl Fortunat-Rossi und Valéry Rosier).

Der berühmte Pianist und politische Aktivist Igor Levit fiebert im Lockdown auf jeden Abend hin, um sich mit seinem Publikum in Form gestreamter Hauskonzerte rituell zu verbinden (IGOR LEVIT – NO FEAR von Regina Schilling).

Und der legendäre Modeschöpfer Yves Saint Laurent findet sich in den letzten Jahren seiner Karriere in einem Reigen aus Feierlichkeiten zu Ehren seines Lebenswerkes wieder, die sein langjähriger Lebens- und Arbeitsgefährte Pierre ¬Bergé orchestriert (CELEBRATION von Olivier Meyrou).

Drei dokumentarische Porträts, die hinter feiernden und gefeierten Pilgern oder Stars die Menschen zum Vorschein kommen lassen, in ihrer Unscheinbarkeit, mit ihren Obsessionen: einfühlsam, charmant, amüsant.

Zelebrationen sind Rituale – unbewusste Kommunikationscodes, die das Verhalten einer Gemeinschaft regeln. Wer sie teilt, gehört dazu. Wer sie durchschaut, hat Macht: Pierre Bergé, der Verwalter des öffentlichen Bildes von Yves Saint Laurent, liess nach der Weltpremiere von CELEBRATION 2007 in Berlin die weitere Veröffentlichung des Films zu seinen eigenen Lebzeiten verbieten. Erst 2018, ein Jahr nach Bergés und ein Jahrzehnt nach Saint Laurents Tod, konnte der Film in die Kinos kommen.

Wie Bergé verwaltet auch der Patriarchensohn Christian das Ansehen seiner Familie: Er nutzt die Riten eines zum 60. Geburtstag seines Vaters üppig ausgerichteten Banketts, um eine Lebenslüge aufzudecken und den Abend zum Einsturz zu bringen. Thomas Vinterbergs FESTEN ist der erste nach den Regeln der dänischen Gruppe „Dogma 95“ produzierte Spielfilm. 1997 hat er ihn auf einem Schloss inszeniert. Seine verstörende Intensität ist bis heute ungebrochen.

In Jim Sharman’s THE ROCKY HORROR PICTURE SHOW and Gaspar Noés CLIMAX schliesslich weiten höllische Zeremonien die Kampfzone aus. In hypnotisierenden Choreografien und Schlachtgesängen verschieben sich Grenzen und Hierarchien und verschmelzen auf jeweils unterschiedlichste Weise zu einem festlichen Alptraumtrip.

Ausserdem feiern wir fünf aussergewöhnliche Premieren im Filmpodium Biel/Bienne: In ihrem neuen Meisterwerk LA CHIMERA lässt uns die italienische Filmemacherin Alice Rohrwacher (“Lazzaro Felice”) in die Seelenlandschaft eines Einzelgängers und die Tiefen etruskischer Gräber blicken - mit Josh O’Connor in der Hauptrolle („God’s Own Country,” „The Crown.”).

Aus Nigeria kommt MAMI WATA von C. J. "Fiery" Obasi, der in betörenden Schwarzweiss-Bildern von einer westafrikanischen Mythologie erzählt und daraus einen spannenden Thriller mit shakespeareschen Zügen entwickelt, in dem Ideen von Tradition und Moderne kollidieren.

Auch der Dokumentarfilm BEYOND TRADITION von Rahel von Gunten und Lea Hagmann beleuchtet das Gewicht von Tradition und Verwurzelung und erkundet in Klang und Bild die Wiederbelebung von vom Vergessen bedrohten Kulturen im Appenzellerland, in Norwegen und Georgien. Am Dienstag 10/10 findet in Anwesenheit der Filmemachenden eine Vorpremière mit Gespräch und Apero statt.

ORLANDO, MA BIOGRAPHIE POLITIQUE von Paul B. Preciado schliesslich knüpft an Virginia Woolfs berühmtes Werk an, um eindrucksvoll eine Reihe gelebter non-binärer Körper mit ihren unterschiedlichsten Daseinsentwürfen zu porträtieren.

Am Montag 02/10 zeigen wir das einzigartige Portrait YOANN BOURGEOIS - The poet of vertigo in Kooperation mit: Kunstreihe Montags um Sieben mit anschliessendem Gespräch und Apéro.

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